Ein Kommentar von Peter Keller.

Mitte September veröffentlichte das Bundeswirtschaftsministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) den Monitoringbericht zur Energiewende zum Start der 21. Legislaturperiode.

Was dieser zu bedeuten hat und wie er eingeordnet werden kann, erfahren Sie im neusten Kommentar von Peter Keller, Projektmanager vom WindRat, der sich den Monitoringbericht im Detail ansah:

Von einem „Scheideweg für die Energiewirtschaft“ sprach Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche bei der Vorstellung des Monitoringberichtes zur Energiewende und ihrem daraus abgeleiteten „10-Punkte-Plan“ zur „Neuausrichtung der Energiewende“ Mitte September:

  1. Ehrliche Bedarfsermittlung und Planungsrealismus
  2. Erneuerbare Energien markt- und systemdienlich fördern
  3. Netze, erneuerbare Energien und dezentrale Flexibilität synchron ausbauen
  4. Technologieoffene Kapazitätsmärkte schnell implementieren
  5. Flexibilität und Digitalisierung des Stromsystems voranbringen
  6. Einheitliche und liquide Energiemärkte erhalten und ausbauen
  7. Förderregime überprüfen, Subventionen systematisch senken
  8. Forschung zielgerichtet vorantreiben, Innovationen fördern
  9. Wasserstoffhochlauf pragmatisch fördern
  10. CCS/CCU als Klimaschutztechnologie etablieren

Und hier findet sich auch schon die erste deutliche Diskrepanz:

Während der Monitoringbericht eine gelungene Grundlage für einen Überblick zur zukünftigen Gestaltung der Energiewende darstellt (auch wenn er nur sechs Einzelthemen betrachtet und nicht die Gesamtheit der Energiewirtschaft) bleiben die daraus abgeleiteten Schlüsselmaßnahmen der Ministerin ihr persönliches Geheimnis, da sie so im Bericht nicht zu finden sind bzw. diesem sogar in wesentlichen Punkten widersprechen.

Klimaziele einhaltbar?

Der Monitoringbericht richtet einen deutlichen Fokus auf ganzheitliche Planung, auf gesamtsystemische Betrachtung und die Kosten – diese strategische Ausrichtung kommt im 10-Punkte Plan von Frau Reiche nicht vor.

Die Szenarien auf Basis von Trendfortschreibungen verfehlen im Monitoringbericht die Klimaziele. Der Ausbau der erneuerbaren Energieanlagen ist „..weiterhin in hohem Umfang notwendig, um die Klimaziele zu erreichen“. Die Einhaltung der Klimaziele ist, nebenbei bemerkt, auch verfassungsrechtlich klar geregelt.

In allen im Monitoringbericht dargestellten Szenarien steigt der Gesamtstromverbrauch robust an. Die Bundeswirtschaftsministerin geht jedoch in ihrer Analyse von einem deutlich niedrigeren Strombedarfswachstum aus entgegen der Meinung vieler Fachleute und Experten. „Die Entwicklung des Strombedarfs hängt wesentlich von zu treffenden klima- und industriepolitischen Entscheidungen ab“ – so sagt es der Bericht. Und wäre es nicht die Aufgabe eines Wirtschaftsministeriums, diesen wirtschaftlichen Impetus klima- und industriepolitisch klar zu setzen und von einem Erhalt bzw. einer Stärkung der gegenwärtigen Industriestruktur auszugehen als durch falsche Annahmen negative wirtschaftliche Entwicklungen in Kauf zu nehmen bzw. zu befördern? Im 10-Punkte Plan von Frau Reiche ist jedenfalls ein solcher zukunftsorientierter positiver wirtschaftlicher Impetus nicht enthalten, sondern lediglich sehr vage „Wortwolken“ und Hülsen. Und lässt den Leser eher ratlos zurück mit der Schlussfolgerung „Was machen wir denn jetzt?“.

Unklare Ziele in der Finanzierung

Es ist ein offenes Geheimnis seit vielen Jahren, dass Kostensenkungen vornehmlich durch Systemoptimierungsmaßnahmen möglich sind. Das zeigt auch der Monitoringbericht wieder deutlich auf. Allein 30% Kosteneinsparungen sind im Verteilnetz möglich durch Flexibilisierungsmaßnahmen und Digitalisierung. Im 10-Punkte Plan von Frau Reiche ist (auch diesmal wieder) nichts davon zu lesen – eigentlich schade, es wäre eine große Chance gewesen die anhaltenden vollmundigen politischen Versprechen von „Entbürokratisierung, mehr Effizienz und Entschlackung“ endlich Realität werden zu lassen.

Beim politisch stark favorisierten Thema Wasserstoffhochlauf legt der Monitoringbericht  das Augenmerk deutlich auf die Kosten: „ …Derzeit existiert kaum marktseitige Nachfrage. Die Bereitstellungskosten, insbesondere für erneuerbaren Wasserstoff, liegen deutlich über der Zahlungsbereitschaft. Die Strombezugskosten hängen stark von der EE-Verfügbarkeit und regulatorischen Rahmenbedingungen ab…“  Gleichzeitig schlagen die Autoren des Monitoringsberichtes aber auch Maßnahmen vor, mit denen erneuerbarer Wasserstoff günstiger werden kann.

Der 10-Punkte Plan von Frau Reiche spricht aber im Gegensatz dazu von einem „pragmatischen“ Ansatz  für den Wasserstoffhochlauf, in dem der grüne Wasserstoff auch durch andere Farben ersetzt werden kann (z.B. blau aus fossilem Erdgas, wobei das entstehende Kohlendioxid durch die CCS-Technik abgeschieden und unterirdisch gespeichert wird). Ob damit eine Verbindung zu dem von Frau Reiche favorisierten Aufbau von Gaskraftwerkskapazitäten geschlagen werden soll oder ggf. alte Geschäftsmodelle verlängert werden sollen kann hier nur vermutet werden.

Der Bericht verdeutlicht vor dem Hintergrund der Versorgungssicherheit den Ausbau gesicherter Leistung (auch kurzfristig)  u.a. auch in Abhängigkeit von „steuerbaren Kraftwerkskapazitäten“.

Die Erkenntnis von Frau Reiche in ihrem 10-Punkte Plan, dass damit Gaskraftwerke priorisiert werden sollen steht weder so im Bericht, noch spricht es für die vielbeschworene „Technologieoffenheit“, die von der Politik immer wieder angemahnt wird.

Im Gegenteil: Im Bericht wird der „signifikante marktgetriebene Zubau von Gaskraftwerken…“ in Frage gestellt.

Fazit

Der Monitoringbericht bietet eine gute Grundlage für einen inhaltlichen und sachlich orientierten Austausch und zeigt damit Chancen und Wege auf für eine erfolgreiche Fortsetzung der Energiewende.

Der daraus abgeleitete 10-Punkte Plan der Bundeswirtschaftsministerin Reiche hat damit wenig zu tun – er steht in einigen Bereichen sogar im Widerspruch dazu.

Der Monitoringbericht zeigt deutlich die Erfolge der bisherigen Energiewende auf und macht auch deutlich, was zu tun ist um „auf Klimakurs“ zur Erreichung der gesetzlichen Klimaziele zu bleiben.

Er zeigt die zentralen Stellhebel auf und macht zahlreiche konkrete Vorschläge, die direkt positive Auswirkungen auf die Einhaltung der Klimaziele, der Kostensenkung und der Versorgungssicherheit haben. Diese unmissverständliche Forderung an die Politik sollte das zentrale Thema im Diskurs miteinander sein und seitens der Politik entsprechende wirtschaftspolitische Konzepte und Maßnahmen auf den Weg gebracht werden. Fragwürdige politische Interpretationen, übereilte politische Beschlüsse, Förderung fragwürdiger Technologien und eine weitere Verunsicherung von Akteuren und Investoren sollten dagegen vermieden werden.

Die Energiewende steht nicht am Scheideweg – oder wie es Alexander Kox, Geschäftsführer von BET Consulting und Mitverfasser des Bericht formuliert hat: „Wir sind on track, aber ein Blick auf die Kosten ist notwendig. Wir müssen alles ein bisschen intelligenter machen.“