Bayern ist nicht gerade Vorzeige-Windbundesland, doch auch hier gibt es Pioniere. Zum Beispiel die Bürgerwindkraft Fuchstal GmbH & Co. KG, die seit 2016 in der gleichnamigen Gemeinde im Landkreis Landsberg am Lech vier, seit 2023 insgesamt sieben Windräder betreibt und damit dreimal so viel Strom erzeugt, wie die Gemeinde benötigt. Und das, obwohl es zu Beginn kräftigen Gegenwind gab. Wie Bürgermeister Erwin Karg seinen Windpark durchsetzte und warum mittlerweile alle zufrieden sind:

Gegenwind: Von 10-H bis zu Kälbern mit drei Köpfen

2011 plante die bayerische Staatsregierung, 1.500 Windräder bis 2020 zu errichten. Den Plan torpediert die CSU kurze Zeit später selbst, als sich u.a. der damalige Ministerpräsident Seehofer gegen Windkraft positionierte – und damit den Anti-Wind-Kurs der CSU für die kommenden Jahre prägte (s. „Verspargelung“). Gesetze wie die bekannte 10-H-Regel erschweren seitdem bis heute den Windausbau in Bayern und haben dafür gesorgt, dass Bayern im bundesdeutschen Wind-Vergleich als blau-weißes Schlusslicht dasteht. Trotzdem schmunzelt Erwin Karg: „Horst Seehofer ist der Vater unseres Windparks.“ Denn ihn zusammen mit einigen engagierten Gemeindemitgliedern motivierte die Zahl ‚1.500 Windräder für Bayern‘ enorm.

Widerstand bis zum Bürgerentscheid

Gegenwind kam nicht nur von landespolitischer Ebene, sondern auch aus der Bürgerschaft. Der ältere Windpark der Nachbargemeinde polarisierte kräftig, wie sich Erwin Karg erinnert: „Mir wurde immer suggeriert, dass Windkraftanlagen greislich sind, dass Windkraftanlagen Vögel morden, dass man Tinnitus kriegt, dass Kälber mit drei Köpfe auf die Welt kommen.“ Doch in Fuchstal trat nichts davon ein. Auch eine Verschandelung der Landschaft oder hohe Lärmbelästigung konnte Erwin Karg nicht feststellen, als er den benachbarten Windpark mit dem Motorrad umkreiste. Seine Entscheidung stand damit fest: Ein Windpark für Fuchstal.

Anfangs gab es vehementen Widerstand in der Gemeinde. Klagen wurden angedroht; Robert Sing, der Geschäftsführer des ausführenden Ingenieurbüros erzählt sogar von Morddrohungen. Den Konflikt befriedete ein Bürgerentscheid: 52,7 Prozent der Bürger*innen stimmten für die Windräder. Entscheidend war aus Sicht von Bürgermeister Karg der Abstimmungstermin – nämlich am selben Tag wie die Europawahl 2019. „Das heißt, es waren alle da, nicht nur die Windkraftgegner“, so Karg. Somit war der Weg für Fuchstals Windräder frei.

Anpacken – Gestalten – Mitverdienen: Unterwegs in Fuchstal

Als das Thema Artenschutz aufkam, reagierte das beauftragte Ingenieurbüro Sing GmbH mit einem eigenen Forschungsvorhaben im Waldgebiet. Mit Kamerasystemen und KI für den Artenschutz – nähert sich nun ein Rotmilan bis auf 330 Meter an ein Windrad, wird die Anlage gestoppt. „Das wird funktionieren und damit hat man das Thema Artenschutz und Erneuerbare Energien durch Windkraft zusammengebracht“, ist sich Robert Sing sicher. Das Forschungsprojekt „Kamerabasierte Erkennungssysteme an Windenergieanlagen im südlichen Waldgebiet von Fuchstal“ wurde sogar vom bayerischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium gefördert.

Mitverdienen am Windpark Fuchstal

Das endgültige Wohlwollen seiner Mitbürger*innen sicherten sich Erwin Karg und seine Mitarbeitenden im frisch renovierten Fuchstaler Rathaus schließlich mit Bürgerbeteiligung. Die Gemeinde selbst hat das Projekt vorangetrieben: 49 Prozent der Anteile an der Bürgerwindkraft Fuchstal GmbH & Co. KG hat die Kommune selbst behalten, 51 Prozent ihren Bürger*innen zum Kauf angeboten. Mit einem riesigen Erfolg, denn die Rendite lag in den letzten Jahren immer bei rund 19 (!) Prozent. Entsprechend hoch war die Nachfrage, als drei weitere Windräder in Planung gingen, die seit 2023 laufen: „Wenn Sie ihr Geld auf der Bank haben, und null Prozent kriegen oder sogar noch Negativzins zahlen, dann können Sie sich vorstellen, dass täglich bei mir Leute angerufen haben und gefragt haben: ‚Wann geht’s denn los mit den drei neuen Windrädern? Wir wollen uns beteiligen‘“, berichtet Karg.

Auch die Gemeinde selbst profitiert von den Windrädern, unter anderem von hohen Gewerbesteuereinnahmen – und davon haben alle Fuchstaler*innen etwas. Schulen und der Kindergarten wurden saniert und in sozialen Wohnungsbau investiert. „Wir können uns etwas leisten“ – das merken die Bürger*innen.

Ob Erwin Karg anderen Bürgermeister*innen empfehlen kann, sich auch Windräder in ihre Orte hinzustellen? „Schon“, sagt der Bürgermeister, „Aber nur, wenn sie gute Nerven haben.“

Über die Kurzfilmreihe:

“Windwende: Praxisnah zum Anfassen”

Der Beitrag “Gegen den Wind” ist einer von sechs Kurzfilmen aus verschiedensten Regionen in Deutschland, die zeigen, wo Politik, Unternehmen und Bürger*innen Hindernisse und Probleme vor Ort gemeinsam überwinden konnten. In diesen Beispielen ist es gelungen, durch Miteinbeziehung der Bevölkerung Akzeptanz für Windenergieprojekte vor Ort zu erreichen, Projekte erfolgreich zu planen und umzusetzen und eine gemeinwohlorientierte Verbesserung der Lebensqualität zu schaffen – ein Lichtblick für die Energiewende!

Alle Videos wurden erstellt von Die Grüne Filmagentur aus Berlin. Wir sagen Danke!

Man sieht das Logo der DBU und einen Hinweis, dass die DBU dieses Projekt gefördert hat.