Grundwasser ist eine der wertvollsten und sensibelsten Ressourcen, die der Mensch hat. Der Schutz der Qualität des Trinkwassers ist eine große Herausforderung: Da Trinkwasser größtenteils aus dem Grundwasser gewonnen wird, ist der Grundwasser- und Ressourcenschutz von elementarer Bedeutung. Diese Thema kann bei der Genehmigung von neuen Windkraftanlagen eine wichtige Rolle spielen, wenn Windkraftanlagen in der Nähe von Trinkwasserschutzgebieten geplant werden.
Trinkwasserschutz in Bayern
Trinkwasserschutz ist auch in Bayern rechtlich streng geregelt: In Wasserschutzzonen dürfen Windräder nicht gebaut werden. Allerdings gibt es hier Ausnahmen: In den Wasserschutzzonen 1 und 2 ist laut Landesamt für Umwelt (LfU) die Errichtung von Windrädern generell untersagt, in diesen Gebieten darf in Deutschland grundsätzlich nicht gebaut werden. Bei Bauvorhaben in der Wasserschutzzone 3 muss die zuständige Kreisverwaltungsbehörde den individuellen Fall prüfen und genehmigen. In dieser weiteren Schutzzone sind Windräder laut Bundesministerium für Umwelt nur unter „besonderen Sicherheitseinrichtungen“ erlaubt.
Sind Windräder eine besondere Gefahr für unser Grundwasser?
Nein, wie der Bayerische Rundfunk (BR) bereits 2022 in einem detaillierten Faktencheck recherchiert hatte. Im Juli 2024 hat nun aber der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) die Baugenehmigung von drei Windkraftanlagen im Höhenkirchner Forst bei München außer Vollzug gesetzt. Dort sind Anlagen in einem Gebiet geplant, in dem Windenergieanlagen Vorrang haben. Allerdings liegt diese Vorrangzone zugleich in zwei Wasserschutzgebieten in Wasserschutzzone 3. Das Gerichtsurteil besagt, dass der Genehmigungsbescheid des Landratsamtes München zwar rechtswidrig ist, der Bescheid aber nicht aufgehoben ist und sich die Möglichkeit der Heilung bietet durch eine Überarbeitung der Standortplanung.
Geklagt hatte der Verein für Landschaftspflege, Artenschutz und Biodiversität (VLAB). Mit dem Urteil wurde zwar nicht die Baugenehmigung aufgehoben, sondern lediglich festgestellt, dass der Genehmigungsbescheid des Landratsamtes aufgrund von Verfahrensfehlern rechtswidrig ist und nachgebessert werden muss. Dennoch ergeben sich dadurch massive Verzögerungen des Projektes. Konkret ging es um die Baustellen im Wasserschutzgebiet, speziell um die Fahrten der Baustellenfahrzeuge innerhalb des Areals. Leider – und unüblicherweise – konnten auch die umfangreichen Schutzmaßnahmen, die die beteiligten Gemeinden und Planer angesetzt hatten, das Gericht nicht überzeugen. Davon waren selbst die Experten im Wasserrecht überrascht, die bei der Planung miteinbezogen wurden.
Ein spannender Zufall ist, dass auf der anderen Seite Münchens gerade heftig über neue Erdgasbohrungen in der Nähe des Ammersees diskutiert wird. Es bleibt zu hoffen, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof dieselben Maßstäbe bei diesen (und anderen) geplanten bzw. laufenden Erdgas- bzw. Erdölbohrungen anlegt, sind doch laut Meinung der Trinkwasserbranche die genauen Risiken derzeit und auch zukünftig nicht kalkulierbar. Bei der Erdgas-/Erdölgewinnung können Umweltbeeinträchtigungen während der Vorbereitungsphase, der Bohrungsphase sowie während des Betriebs auch bei Einhaltung hoher Sicherheitsstandards nicht sicher ausgeschlossen werden. Sie reichen von Lärmbelästigungen und Flächenverbrauch über Schadstoffemissionen bis zur Verunreinigung und infolgedessen Nichtnutzbarkeit von Grund- und Trinkwasser. Im Vergleich zu Windkraftanlagen gefährden sie das Trinkwasser sehr viel wahrscheinlicher.
Trinkwasserschutz und Windenergie: Bayern vs. Schleswig-Holstein
Ein ähnlicher Fall zu Höhenkirchen mit unterschiedlichem Ausgang: Im April 2024 hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig eine Klage gegen den Bau und Betrieb von zwei Windkraftanlagen abgewiesen, die sich ebenso auf eine Gefährdung von Trinkwasser berufen hatte (Aktenzeichen 5 KS 12/22). Das Gericht erklärte, dass die zuständige Genehmigungsbehörde eine Prognoseentscheidung treffen müsse, ob durch die Anlagen schädliche Auswirkungen wie Gefahren, Nachteile oder Belästigungen entstehen – so sehe es das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) vor. Dabei müsse aber nicht ausgeschlossen werden, dass theoretisch jedes denkbare Risiko auftreten könnte. Stattdessen, so das Gericht, liegt es in der Verantwortung derjenigen, die ein solches entfernt liegendes Risiko anführen, konkrete Belege dafür vorzubringen. Diese fehlten im vorliegenden Fall, weshalb die Klage abgewiesen wurde.
Fazit
Der Schutz von Grund- und Trinkwasser ist elementar wichtig und nicht verhandelbar. Doch die Energiewende – und mit ihr der Ausbau von Windkraft – ist es ebenso wenig. Wenn der Grundwasserschutz sporadisch gegen Windkraft, nicht jedoch gegen viel schädlichere Projekte wie Bohrungen nach fossilen Energieträgern ins Feld geführt wird, so messen die Akteure mit zweierlei Maß.
Für uns als WindRat bleibt zu hoffen, dass es sich beim Fall Höhenkirchen bei München um einen Einzelfall handeln wird. Und um einen Fall, der juristisch so geklärt werden kann, dass die Trinkwasserschutzinteressen der Kläger ebenso gewahrt werden wie die Baupläne für den Windpark.
Quellen:
- https://www.kowas.com/news/erdgas-erdoelfoerderung-in-trinkwassergewinnungsgebieten/
- https://www.br.de/nachrichten/bayern/urteil-vorerst-keine-windraeder-in-hoehenkirchen-siegertsbrunn,UHeH0I9
- https://www.merkur.de/lokales/muenchen-lk/hoehenkirchen-siegertsbrunn-ort100556/forst-geplant-nach-klagen-jetzt-fuenf-windraeder-im-hoehenkirchner-93388273.html
- https://www.euwid-wasser.de/news/recht/ovg-moegliche-trinkwassergefaehrdung-durch-windkraft-ist-konkret-zu-belegen/
- https://www.br.de/nachrichten/wissen/nein-windraedersind-keine-besonderegefahr-fuer-dasgrundwasser-faktenfuchs,TAz0liL
- https://www.merkur.de/lokales/muenchen-lk/hoehenkirchen-siegertsbrunn-ort100556/windrad-baustopp-im-hoehenkirchner-forst-so-soll-weitergehen-93175080.html